
© ADFC | Ollo Keßler
ADFC Fahrradklima-Test 2024:
Wiesbaden verliert erneut an Boden
Radfahrende wünschen sich sichere Radwege und ein respektvolles Miteinander auf Wiesbadens Straßen
Wiesbaden, 17.06.2025 | Beim bundesweiten ADFC-Fahrradklima-Test 2024 landet Wiesbaden erneut nur im Mittelfeld. Die Radfahrenden bewerten das „Fahrrad-Klima“ in Wiesbaden im Vergleich zu 2022 unverändert mit einer „glatten Vier“ (von 3,95 auf 3,98). In der Kategorie der deutschen Städte zwischen 200.000 und 500.000 Einwohner:innen ist Hessens Landeshauptstadt damit vom 8. auf den 11. Platz (von 25) abgerutscht. Wobei das Feld eng beieinander liegt: Platz 1 in dieser Größenklasse konnte sich erneut die Stadt Münster sichern – mit der Note 2,97. Die „Rote Laterne“ trägt Krefeld mit der Note 4,51.
„Der Fahrradklima-Test des ADFC ist für uns ein wichtiges Barometer für die Situation und die Stimmung der Menschen, die in Wiesbaden mit dem Fahrrad unterwegs sind“, sagt Michéle Fleckenstein vom Vorstand des ADFC Wiesbaden/Rheingau-Taunus e.V.. Viele Befragte hätten 2022 die damals mutig umgesetzten Maßnahmen zur Luftreinhaltung und Förderung des Radverkehrs als sehr positive Dynamik wahrgenommen. Nun herrsche jedoch der Eindruck vor, dass Ausbau und Modernisierung der Radinfrastruktur keine Priorität mehr hätten. „Die Radfahrenden wünschen sich außerdem, als gleichberechtige Verkehrsteilnehmer akzeptiert zu werden“, so Fleckenstein.
Drei zentrale Kritikpunkte unverändert
In der Tat zeigen die Ergebnisse aus dem Herbst 2024 im Vergleich zum letzten Test vor zwei Jahren kaum positive Veränderungen. So werden erneut die Themen „Kontrollen von Falschparkern auf Radwegen“, „Konflikte mit Kraftfahrzeugen“ sowie die „Führung für Fahrradfahrende an Baustellen“ mit 4,8 Punkten (auf einer Skala von 1 bis 6) am schlechtesten bewertet. Im Vergleich zu 2022 besonders verschlechtert haben sich die Aspekte „Fahrradförderung in jüngster Zeit“ sowie „Werbung für das Radfahren“. Mit 1,9 erneut sehr positiv bewertet wird dagegen die Tatsache, dass die meisten Einbahnstraßen in Wiesbaden in der Gegenrichtung für Radfahrende freigegeben sind (2022: 2,0).
- Sicherheitsgefühl Fehlanzeige. Der Radverkehr wird auf einem „Radfahrstreifen in Mittellage“ am Hauptbahnhof vorbeigeführt. © ADFC | Oliver Keßler
- Busspur rechts, mehrere Pkw-Fahrspuren links. Direkt nach der Ampelanlage müssen Autos und Busse die Fahrradspur queren. © ADFC | Oliver Keßler
Handlungsbedarf an Bahnhöfen – Lob für Fahrradstraßen
Zwei in der Umfrage besonders häufig benannte Problemstellen sind der Hauptbahnhof und der Bereich um den Bahnhof Kastel. Die Befragten finden: Am Wiesbadener Hauptbahnhof fehlt ein durchdachtes Konzept, um den Fahrradverkehr gut zum Bahnhof und darum herum zu leiten. Der ebenfalls für Radfahrende wichtige Verknüpfungspunkt Mainz-Kastel wird insbesondere wegen der Auf- und Abfahrt zur Theodor-Heuss-Brücke nach Mainz als „katastrophale Radsituation“ beschrieben. Gleichzeitig freuen sich die Radfahrenden über die bisher schon unternommenen Maßnahmen. Immer wieder gelobt werden vor allem die neuen Fahrradstraßen in der Innenstadt: „Die neue Fahrradstraße in der Mosbacher Straße ist ein Gewinn für den Radverkehr. Weiter so!“, lautet eine von vielen Rückmeldungen in diese Richtung.
Forderung nach durchgängigen Radwegen und Rücksichtnahme
Der Wunsch nach einem durchgängigen Netz von Fahrradwegen spricht aus vielen Kommentaren. Denn nur eine lückenlose, geschützte Fahrrad-Infrastruktur ermöglicht sicheres Radfahren auch für schwächere Verkehrsteilnehmende. Eine einfach umzusetzende Maßnahme sind Tempo-30-Zonen, die von den Radfahrenden als wichtiger Sicherheitsaspekt genannt werden. Ein zweites großes Anliegen ist ein friedlicheres Miteinander im Straßenraum. So lautet ein Kommentar: „Die Kommunikation zwischen allen Verkehrsteilnehmenden ist echt verhärtet und uneinsichtig. Ich hoffe, dass sich auch hier in Zukunft mehr tut: gegenseitiges Verständnis und Rücksichtnahme.“
- Die Mosbacher Straße ist eine Fahrradstraße – hier haben Radfahrende Vorrang und können ebenso sicher wie zügig unterwegs sein. © ADFC / Ollo Keßler
- Wiesbaden, Mosbacher Straße: Hier macht Radfahren Freude, denn es fühlt sich sicher an und man kommt gut voran! © ADFC / Ollo Keßler
Mehr Radverkehr = Weniger Autostau
Eine nachhaltige Verkehrspolitik und weniger Stau auch für Autofahrende gibt es nur mit einer konsequenten Stärkung des Radverkehrs. Wir brauchen in Wiesbaden dringend mehr Tempo bei Ausbau der Fahrrad-Infrastruktur. Vor allem muss die Stadt Stück für Stück an sicheren und durchgehenden Radverbindungen arbeiten, damit möglichst viele Menschen im Alltag mit dem Fahrrad mobil sein können. Besonders an den Bahnhöfen besteht akuter Handlungsbedarf: Eine moderne Radwege-Führung ist für alle Beteiligten intuitiv verständlich. Sie vermeidet Konflikte – und damit Unfälle – zwischen den Verkehrsteilnehmenden. Daneben wünschen wir uns als ADFC dringend eine Initiative für mehr Respekt und rücksichtsvolles Miteinander im Straßenverkehr.
Einblick in die tägliche Radfahr-Praxis
„Der Fahrradklima-Test ist eine wichtige Erinnerung, dass Wiesbaden beim Thema Fahrradfahren nicht den Anschluss verlieren darf“, ist der ADFC Wiesbaden überzeugt. „Wir sind dankbar, dass 916 Wiesbadenerinnen und Wiesbadener im Fahrradklima-Test ihre aktuellen Erfahrungen geteilt haben“, sagt Michéle Fleckenstein. Vor allem die vielen konkreten und konstruktiven Hinweise der Radfahrenden könnten für die Verwaltung und anstehende Planungen wertvoll sein. „Die Stadt hat bereits großes Interesse an den Ergebnissen der Befragung signalisiert. Das ist eine tolle Basis für einen Austausch mit Verkehrsdezernat und Radbüro mit dem Ziel, die Radinfrastruktur weiter zu verbessern“, freut sich Fleckenstein. „Wenn wir jetzt als Stadt die Fahrradmobilität gezielt in den Fokus nehmen, wird Wiesbaden im Ranking 2026 sicher wieder zu den stolzen Aufsteigern gehören.“
- Wo geht’s weiter? An der Einmündung Salzbachstraße besteht Unklarheit, wo es in Richtung HBF oder Innenstadt weitergeht. © ADFC | Oliver Keßler
- Konflikte vorprogrammiert. Zum Bahnhof müssen Radfahrende die Bahnhofstraße queren und durch die Reisinger Anlage fahren. © ADFC | Oliver Keßler
Zahlen und Fakten zum ADFC Fahrradklima-Test
Der ADFC-Fahrradklima-Test ist die größte Umfrage zur Zufriedenheit der Radfahrenden in Deutschland. Er wird vom Fahrradclub ADFC alle zwei Jahre mit Unterstützung des Bundesministeriums für Digitales und Verkehr durchgeführt und fand 2024 zum elften Mal statt. Damit fundierte Ergebnisse erzielt werden können, müssen je nach Stadtgröße mindestens 50, 75 oder 100 Abstimmungsergebnisse vorliegen. Die Umfrage ist offen für alle, richtet sich jedoch speziell an die Radfahrenden und ist deshalb nicht repräsentativ für die Bevölkerung. Die Ergebnisse des Tests haben durch die breite Bürgerbeteiligung jedoch hohe Aussagekraft und können Kommunen helfen, das Angebot für Radfahrende gezielt zu verbessern. Weitere Infos zu den Ergebnissen des ADFC-Fahrradklima-Test 2024 gibt es hier:
https://fahrradklima-test.adfc.de
- Engpässe im Minutentakt. Der viel zu schmale Radfahrstreifen zur Theodor-Heuss-Brücke wird in zwei Richtungen mit dem Fahrrad genutzt. © ADFC | Karoline Deißner
- Gefährliche Situationen entstehen rund um die Bushaltestelle „Kastel Bahnhof“. Für Autos stehen aber zwei ganze Fahrspuren zur Verfügung. © ADFC | Karoline Deißner
- Kostheim, Hochheimer Straße: Ausreichend Platz zum Radeln. Hier können auch Kinder sicher unterwegs sein. © ADFC | Karoline Deißner
- Kostheimer Landstraße: Gerecht und gut aufgeteilt. Neu geordneter Verkehrsraum auf der Brücke von Kastel nach Kostheim. © ADFC | Karoline Deißner
- Eine der Schwachstellen in Wiesbaden: An Baustellen werden Radwege oft nicht geordnet vorbeigeführt und enden abrupt. © ADFC | Karoline Deißner
- Solche Situationen gefährden vor allem Menschen mit höherem Sicherheitsbedürfnis, z.B. we-niger versierte Radfahrende oder Kinder. © ADFC | Karoline Deißner